Bunde/Ostfriesland (Niedersachsen)

Datei:Bunde in LER.svg Bunde ist eine Einheitsgemeinde mit derzeit ca. 7.800 Einwohnern am Dollart im ostfriesischen Landkreis Leer (im Rheiderland) – ca. 15 Kilometer südwestlich der Kreisstadt gelegen (Karte des Rheiderlandes, Onno Gabriel 2007, aus: wikipedia.org CC BY 3.0 und Kartenskizze 'Landkreis Leer', TUBS 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

Abb. O., 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

 

In der ostfriesischen Ortschaft Bunde lebte um 1670 als einzige jüdische Familie die von Simon Isaac. Ab der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts lassen sich dann zwei Familien mosaischen Glaubens nachweisen; ihr Hauptlebenserwerb war das Metzgerhandwerk.

Der Versuch, hier eine Synagoge zu erbauen, scheiterte zunächst, weil die Landdrostei Aurich dies mit Hinweis auf die geringe finanzielle Basis der kleinen jüdischen Gemeinschaft ablehnte; schließlich konnte aber doch ein Gebäude an der Kreuzstraße (heute Kreuzring) errichtet werden. Gründer der jüdischen Gemeinde Bunde soll Abraham Halevi gewesen sein, dessen Verdienste in der Inschrift seines Grabsteines auf dem Friedhof Neuschanz vermerkt sind:

Hier ruht ein rechtschaffener und beliebter Mann, fürwahr gepriesen von jedem, Hirte seiner Gemeinde in Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit, ihn priesen die Menschen seines Volkes, die obersten ehrten ihn, sein Andenken soll kein Ende nehmen bis in die fernsten Geschlechter, er gab von seinem Brot an die Armen und Schwachen, er ließ fest anbringen die Tür der Synagoge und legte den Stein für ihr Fundament, das Haupt der gemeinde und Leiter der Gemeinschaft Bunde, der Herr Abraham, Sohn des Herrn Josef Halevi, der starb am Mittwoch 20 Sivon und wurde begraben am Vorabend des Sabbats am 22sten desd Monats, 622 (1862 Juni 18).“

 Synagoge u. jüdisches Schulhaus links im Bild (hist. Aufn. aus: wikipedia.org, CCO)

Seit den 1850er Jahren hatte es in Bunde eine jüdische Elementarschule gegeben, die von der Judenschaft unterhalten wurde; die hierher verpflichteten Lehrer wechselten aber sehr häufig, sodass ein kontinuierlicher Unterricht nicht gegeben war. Als Religionsschule blieb diese Schule bis in die 1920er Jahre bestehen.

    

Anzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 28.6.1882 und vom 11.8.1890

... und aus den Jahren 1902 und 1915 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20148/Bunde%20Israelit%2020021902.jpg  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20148/Bunde%20Israelit%2004021915.jpg

Anfänglich wurden Verstorbene auf dem ca. 1670 angelegten Friedhof in Smarlingen (bei Weener) beerdigt, nachdem die Fürstin Christine Charlotte ihre Erlaubnis dazu gegeben hatte (das war die Begräbnisstätte der Juden des Rheiderlandes). In unmittelbarer Nähe dieses alten Friedhofs wurde später ein neuer angelegt, der bis 1849 belegt wurde. Danach diente der jüdische Friedhof in Neuschanz (im niederländischen Nieuwe Schans) bis um 1875 verstorbenen Bunder Juden als Ruhestätte. Als dann die Neuschanzer Gemeinde eine weitere Mitnutzung verweigerte, erwarb man am Ort (am Leegeweg) ein eigenes Grundstück für Bestattungen.

Juden in Bunde:

    --- 1757 .........................  2 jüdische Familien,

--- 1824 ......................... 21 Juden,

    --- 1867 ......................... 28   “  ,

    --- 1874 ......................... 37   “  ,

    --- 1885 ......................... 55   “  ,

    --- 1895 ......................... 65   “  ,

    --- 1905 ......................... 65   “  ,

    --- 1925 ......................... 70   “   (3,5% d. Bevölk.),*    * gesamte Gemeinde

    --- 1930 ..................... ca. 50   “  ,

    --- 1939 (Sept.) .................  4   “  .

Angaben aus: Harm Wiemann, Bunder Chronik

und                 Daniel Fraenkel (Bearb.), Bunde, in: H.Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen ..., Bd. 1, S. 381

           Ak Bunde in Niedersachsen, Hotel zur Blinke, Straßenpartie in der Stadt Ortszentrum von Bunde (Abb. aus: akpool.de)

 

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten in Bunde etwa 50 Bewohner jüdischen Glaubens, zumeist waren es ältere Menschen.

                                             Geschäftsanzeige (1930) 

Bis Ende 1933 verließen ca. 20 Bunder Juden ihren Heimatort und suchten zumeist im nahen Holland eine neue Bleibe. Die Gemeinde verkaufte das bereits nach 1930 nicht mehr genutzte Synagogengebäude im Sommer 1938 an einen hiesigen Kaufmann. Die Abschlusspredigt sollen damals der Landesrabbiner Samuel Blum und der örtliche Gemeindevorsteher Abraham Rieß gehalten haben. Danach löste sich die Gemeinde offiziell auf.

Während der „Kristallnacht“ wurden die verbliebenen Juden auf Weisung des Ortsbürgermeisters im Gemeindesaal eingesperrt und mussten Misshandlungen erdulden; in der Zwischenzeit durchsuchten SA-Angehörige ihre Wohnungen. Zwei jüdische Männer wurden ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Das Synagogengebäude, das sich bereits in „arischem“ Besitz befand, wurde beschädigt. Bei Kriegsbeginn lebte nur noch eine vierköpfige jüdische Familie im Ort; Mitte Juli 1942 wurde diese nach Theresienstadt deportiert.

Mindestens 23 jüdische Bewohner Bundes sind nachweislich Opfer des Holocaust geworden.

 

Auf dem jüdischen Friedhof in Bunde findet man heute ca. 30 Grabstätten.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20267/Bunde%20Friedhof%20160.jpg

Jüdischer Friedhof Bunde und einzelne Grabsteine (Aufn. J. Hahn, 2010 und P., 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Im Jahre 2010 wurde auf Initiative des Arbeitskreises „Jüdisches Leben“ die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Bundener Juden angeregt. Das Denkmal – nach einem Entwurf des Wymeerster Künstlers Peter Könitz (eine ca. 1,80 Meter hohe und etwa zwei Meter breite stählerne Skulptur) - wurde 2014 im Ortszentrum (vor der Sparkasse) errichtet. Auf dem aus drei bronzefarbigen Edelstahlplatten gefügten Mahnmal sind namentlich die 77 Personen mosaischen Glaubens aufgeführt, die in der Zeit von 1933 bis 1945 in Bunde gelebt hatten.

Mahnmal (Aufn. Th. Graalmann, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Karel Jongeling, Joodse begraafplaatsen in Groningen en Oost-Friesland: Ter Apel, Bourtange, Vlagtwedde, Bellingwolde, Stadskanaal, Nieuweschans, Bunde, in: „Nedersaksische studies 2“, Groningen 1977, S. 114 - 123 (jüdischer Friedhof Bunde)

Harm Wiemann/u.a., Aus vergangenen Tagen. Chronik der Samtgemeinde Bunde, Bunde 1983, S. 97 - 102

Harm Wiemann, Zur Geschichte der Juden in Bunde, in: Herbert Reyer/Martin Tielke (Hrg.), Frisia Judaica. Beiträge zur Geschichte der Juden in Ostfriesland, Aurich 1988 (= "Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands", Band 67), S. 163 - 170  

Das Ende der Juden in Ostfriesland. Katalog zur Ausstellung der Ostfriesischen Landschaft aus Anlaß des 50. Jahrestages der Kristallnacht, Verlag Ostfriesische Landschaft, Aurich 1988

Annelene Akkermann, Aufstieg und Machtergreifung der Nationalsozialisten im Rheiderland 1929-1936, in: Herbert Reyer (Hrg.), Ostfriesland zwischen Republik und Diktatur, Verlag Ostfriesische Landschaft, Aurich 1998, S. 239 – 298

Daniel Fraenkel (Bearb.), Bunde, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 1, S. 380 – 384

Bernhard Groeneveld, Meine Erinnerungen an Juden in meinem Leben, Manuskript 2008 (online abrufbar

Reise ins jüdische Ostfriesland, Hrg. Ostfriesische Landschaft, 2013

Bunde, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Der jüdische Friedhof in Bunde, in: alemannia-judaica.de (mit Aufnahmen vom Friedhofsareal)

Silke Petry (Red.), BUNDE – Novemberpogrome 1938 in Niedersachsen, Hrg. Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten, online abrufbar unter: pogrome1938-niedersachsen.de/bunde/  (2018)

Juliane Irma Mihan, Jüdisches Leben im grenznahen Raum: die Wechselbeziehungen zwischen den jüdischen Gemeinden im Rheiderland und Groningerland, Hrg. Ostfriesische Landschaft, Aurich 2021

Juliane Irma Mihan (Bearb.), Wanderausstellung „Jüdisches Leben in der Grenzregion – Joods leven in de grensstreek“, in: "Blog für ost-friesische Geschichte“ vom 21.9.2021

Jan-Geert Berents (Red.), Vandalen verwüsten jüdischen Friedhof in Bunde, in: „Lingener Tagespost“ vom 1.12.2021